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Ethereum-Mitgründer: „Blockchain macht ganze Institutionen obsolet“

Als er 2011 das erste Mal von Bitcoin las, fand er das Thema langweilig. Zwei Jahre später hat der Brite Gavin Wood, der heute in Berlin lebt und arbeitet, dann doch das Potenzial entdeckt, das in der Blockchain schlummert. Gemeinsam mit Vitalik Buterin hat er 2014 schließlich die Kryptowährung Ethereum mit ihren „Smart Contracts“ in die Welt gesetzt. Bis Ende 2015 arbeitete er als CTO für Ethereum, heute entwickelt er mit seinem neuen Projekt Parity Technologies einen Client, der schnelle und sichere Interaktionen mit Ethereum möglich machen soll.

Im Rahmen der TEDx-Konferenz in Wien hat Wood mit Trending Topics darüber gesprochen, wie die Blockchain den Energiesektor umstülpen könnte, was Facebook mit Ethereum zu tun hat und wie ein Elektroauto Geld für seinen Besitzer verdienen könnte.

Sie haben auf der TEDx-Konferenz in Wien über die Effekte von Blockchain auf die Gesellschaft gesprochen. Welche Auswirkungen hat die neue Technologie denn?

Gavin Wood: Blockchain macht ganze Institutionen obsolet und verändert, wie wir über Wirtschaft denken. Teile von dem, was etwa Regierungen oder Banken heute machen, wird unnötig. Natürlich machen Regierungen noch Dinge, die mit der Blockchain nicht machbar sind, man denke etwa ans Militär. Aber Blockchain wird auch Versicherungen, Tech-Unternehmen oder Telekommunikationsfirmen betreffen. Also eben all jene Institutionen, die Vertrauen genießen. So funktionieren Firmen: Die Menschen gehen zu ihnen, weil sie ihnen als Mittelsmann vertrauen. Zum Beispiel Facebook. Das nutzt man dazu, um seinen Freunden eine Nachricht zu senden.

Das blinde Vertrauen seiner Nutzer hat Facebook wohl nicht.

Ich denke, die ganze Welt hat ein Vertrauensproblem. Das ist ja das Ding. Wir leben in einer Welt, in der immer weniger Menschen Experten, Regierungen, Banken oder eben Facebook ihr Vertrauen schenken. Blockchain zeigt uns eine Alternative auf. Es erlaubt Menschen, ökonomisch zu interagieren, ohne zu einem Mittelsmann gehen zu müssen, dem beide vertrauen müssen.

Sie sagen, dass Blockchain Institutionen obsolet macht. Aber gerade Regierungen oder Banken arbeiten bereits mit Blockchain.

Das ist natürlich eine interessante Sache. Vor allem für sehr große Unternehmen mit sensiblen internen Abläufen, die oft nicht überschaubar und sicher sind, ist Blockchain ein großartiger weg, um zu dokumentieren, wer wann was gemacht hat. Nehmen Sie die EU und ihre Bürokratie. Da gehen jährlich rund zwei Milliarden Euro verloren wegen unterschiedlichen Versionen von Dokumenten, die kursieren, und ständig neu angeglichen werden müssen. Die Blockchain kann garantieren, dass ein Dokument in seiner korrekten Version zur Ratifizierung kommt.

Das heißt nicht, dass die Blockchain sie abschaffen wird.

Man kann eine Analogie zwischen dem Internet und Blockchain ziehen. Viele Unternehmen wurden durch das Internet obsolet gemacht. CD-Geschäfte gab es in den 1990ern überall, aber heute sind sie im besten Fall noch Hipster-Paradiese. Bevor diese Plattenshops verschwanden, haben sie bereits Intranet genutzt. Das Gleiche wird mit Blockchain passieren. Regierungen und Unternehmen werden die Blockchain intern nutzen, und das wird einen großen Wandel auslösen. Ich will nicht wie Che Guevara klingen, aber das Establishment wird sich diesem Wandel nur schwer widersetzen können.

Wie sind Sie gemeinsam mit Vitalik Buterin auf die Idee gekommen, Ethereum zu entwerfen?

Wir wollten zuerst Bitcoin verbessern und das digitale Geld besser progammierbar machen. Ethereum hat sich während der Entwicklung stark verändert. Bitcoin fokussiert sehr stark auf den Geld-Aspekt, während es bei Ethereum um Kontrakte geht. Ein “Smart Contract” ist im Prinzip das Gleiche wie ein Vertrag, den man mit Stift und Papier unterzeichnen würde, nur dass er eben in einem dezentralen Computer-Netzwerk ausgeführt wird. Ich sehe Ethereum heute als Alternative zum Zivilrecht. Wenn zwei Parteien eine Vereinbarung treffen, dann garantiert die Blockchain, dass die Erwartungen beider Seiten erfüllt werden.

Ethereum wird heute allerdings vorrangig für Initial Coin Offerings (ICO) eingesetzt. Geht das nicht am Kernzweck vorbei?

Wir haben teilweise schon geplant, dass es auch dafür eingesetzt werden kann. Wir hatten ICOs am Radar, auch wenn wir nicht dachten, dass das der erste große Usecase wird. Es wäre falsch, die Technologie dafür verantwortlich zu machen, wie sie eingesetzt wird.

Täglich gibt es weltweit rund 50 ICOs. Da werden Unmengen an neuen Kryptowährungen erzeugt, von denen man oft nicht weiß, wozu sie gut sind und wie nachhaltig sie sind. Macht das überhaupt Sinn, tausende neue Währungen in die Welt zu setzen?

Es gibt grob gesagt zwei Typen von Token. Der eine Typ ist der Protokoll-Token wie Ether, der als Anti-Spam-Tool verwendet wird, damit die Blockchain nicht mit unnötigen Transaktionen zugemüllt wird. Dieser Typ Token wird nicht als Zahlungsmittel verwendet. Und dann gibt es Token, mit denen man sich in ein Projekt oder eine Idee einkaufen kann. Sie werden bei ICOs erzeugt. Diese Token sind meiner Meinung nach viel fragwürdiger, da sind zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen notwendig – etwa Identifizierungs-Tools, Background-Checks, ein Voting-System für die Community. Bei meinem aktuellen Projekt Parity geht es um die Entwicklung solcher Tools.

Von China über Russland bis zu den USA stehen Kryptowährungen Regulierungen ins Haus. Wie beurteilen Sie das?

Regulierungen bedeuten generell, dass die Freiheit des Einzelnen beschnitten werden. Ich bin prinzipiell gegen diese Philosophie. Diese Regulierungen kommen deswegen, weil wir noch nicht die Tools haben, um die Nutzer vor böswilligen Akteuren zu schützen. Es wäre besser, diese Akteure mit Systemen zu bekämpfen, die mehr Transparenz und Information bringen, als mit rechtlichen Hürden. Regulierungen sind wie ein Vorschlaghammer, der viele Potenziale killen könnte, und das wäre sehr schade. China geht da sehr brutal vor, die USA haben da einen gemäßigteren Ansatz. Ich hoffe, dass die Technologie selbst Regulierungen zu einem Ding der Vergangenheit mach, aber das muss die Technologie in den nächsten Jahren beweisen.

Einige Staaten gehen einen Schritt weiter und planen eigene Kryptowährungen.

Die Idee einer staatlichen digitalen Währung ist nichts Neues. In Ecuador wurde das bereits vor ein paar Jahren versucht. Wenn Russland eine eigene Kryptowährung bringt, dann nur, um im selben Schritt alle anderen Kryptowährungen illegal zu machen. Das wäre dann auch gar keine Kryptowährung, weil der Staat die kontrollierende Autorität wäre. Andererseits würde eine solche digitale Währung Korruption eindämmen. Die Blockchain braucht ein Staat aber für so etwas nicht wirklich. Die Blockchain reduziert die Notwendigkeit von Vertrauen, und das passt nicht zu Institutionen, die ja davon leben, Autoritäten zu sein.

Was ist Ihrer Meinung nach das beste Einsatzgebiet der Blockchain, von der Menschen wirklich etwas haben?

Energie. Der Energiesektor ist heute extrem zentralisiert. Doch mit der Verbreitung von Batterien in Elektroautos oder Haus-Akkus in Kombination mit einem Solardach wird die Produktion und Speicherung von Strom dezentralisiert. Jedes Individuum wird gleichzeitig Konsument und Produzent sein. Die Batterien wissen aber nicht von alleine, wann der beste Zeitpunkt zum Laden oder Verkaufen von Strom ist. Dein Auto soll ja zu Spitzenzeiten gespeicherten Strom zurück ins Netz liefern und sich erst dann aufladen, wenn die Energie billig ist. Mit Blockchain kann man Maschinen und wie sie untereinander interagieren, automatisieren. Stellen sie sich eine Waschmaschine vor, der Sie ein Budget von 20 Euro pro Monat geben, und sie kauft sich den Strom dann, wenn er günstig ist. Oder ein Elektroauto, dass sich Geld dazuverdient, indem es automatisch gespeicherte Energie kauft und verkauft.

Was halten Sie von Kryptowährungen wie Ripple, Bitcoin Cash, Litecoin oder Dash?

Außer mit Bitcoin kann man sich mit diesen Währungen derzeit nichts kaufen. Ich halte sie für Marketing-Gags. Mir geht es um die Technologie. Es macht keinen Sinn, dauernd neue Token auf den Markt zu werfen, mit denen man nichts tun kann.

Was halten Sie von folgendem Vergleich: Bitcoin ist wie MySpace, Ethereum ist wie Facebook.

Ja, das ist eine Analogie, die eigentlich ganz gut passt. Ethereum ist eine Plattform, und sie wird derzeit eben für Crowdfunding eingesetzt.


Trending Topics ist das führende Startup- und Blockchain-Medium aus Österreich.

Patrick Rosenberger ist Autor von trendingtopics.at

 

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Nikolas Stein

Nikolas – Technik-Nerd und damit im Blockchain-Thema bestens aufgehoben. War vor den Kryptologen Art Director bei stern.de und ist deshalb zuständig für Grafik und Programmierung.
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